Bernadotte, Jean Baptiste Jules (Karl XIV. Johann)

Karl XIV. Johann, ursprünglich Jean Baptiste Jules Bernadotte, geb. 26. Jan. 1764 als der Sohn eines Advokaten zu Pau, trat 1780 als Freiwilliger in das französische Heer und war 1789 beim Ausbruch der französischen Revolution Sergeant Major, wurde aber, weil er sich 1792 und 1793 sehr auszeichnete, bereits 1794 Divisionsgeneral, focht 1794 bei Fleurus, 1795 beim Rheinübergang unter Jourdan und 1796 in dem unglücklichen deutschen Feldzug, wo ihn der Erzherzog Karl 22. Aug. bei Teining schlug.

1797 mit Verstärkungen zur Armee von Italien gesandt, eroberte er Gradisca und erwarb sich Bonapartes Vertrauen. Nach Abschluß des Friedens von Campo Formio ging er als Gesandter der französischen Republik nach Wien, wurde aber von da, als er 13. April 1798 bei der Feier eines französischen Nationalfestes eine dreifarbige Fahne vom Balkon seines Hauses wehen ließ, durch einen Volkstumult vertrieben.

1799 ernannte ihn das Direktorium zum Kriegsminister, da man von ihm die Wiederherstellung der erschlafften Ordnung und Kriegszucht erwartete. Damals richteten viele, welche in einer Diktatur die Rettung Frankreichs sahen, ihre Blicke auf ihn. Bonaparte kam ihm mit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire zuvor. Er zeichnete zwar Bernadotte, welcher eine selbstbewußte Zurückhaltung bewahrte, äußerlich vielfach aus, zumal derselbe 1798 durch seine Verheiratung mit Eugenie Bernhardine Désirée Clary (geb. 8. Nov. 1781), einer Kaufmannstochter aus Marseille, der Schwager Joseph Bonapartes geworden war; aber beide Männer betrachteten sich fortan mit Argwohn und Eifersucht.

In der Vendée, wo Milde und Klugheit mehr bewirkten als rücksichtslose Strenge, gelang es 1800 Bernadotte bald, einen neuen Aufstand der Chouans zu unterdrücken. 1804 ward er nach Hannover gesendet, um dort den Oberbefehl über das Okkupationsheer zu führen. Im Mai d. J. erhielt er die Marschallswürde und bald darauf auch die große Dekoration der Ehrenlegion.

1805 marschierte er durch das preußisch-fränkische Gebiet nach Süddeutschland, kam rechtzeitig zur Verstärkung Napoleons I. nach Mähren und nahm an der Schlacht von Austerlitz rühmlichen Anteil, wofür er 5. Juni 1806 zum Fürsten von Pontecorvo, einer vormals päpstlichen Enklave im Neapolitanischen, ernannt wurde.

Im Krieg von 1806 befehligte er das 1. Armeekorps. Er schnitt den General Tauenzien von der preußischen Hauptarmee ab, verdrängte ihn aus Schleiz, drang auf Dornburg vor und ging von da dem Kaiser entgegen. Nach der Schlacht bei Jena verfolgte er die Preußen nach Halle und schlug dort 17. Okt. die preußische Reserve unter dem Prinzen von Württemberg. Dann folgte er Blücher bis Lübeck, wo er denselben 7. Nov. zur Kapitulation zwang, und kämpfte ruhmvoll bei Mohrungen 25. Jan. 1807. Nach dem Frieden befehligte er das in Norddeutschland bleibende Heer und erwarb sich in dieser Stellung allenthalben Popularität.

1809 kommandierte er die sächsischen Truppen, mit denen er Wagram erstürmte und das brennende Dorf zwei Stunden behauptete. Sein nach der Schlacht den Sachsen in einem Tagesbefehl gespendetes Lob zog ihm die kaiserliche Ungnade zu, daher er nach Paris zurückging. Daß er von hier bei der verspäteten Expedition der Engländer nach Walcheren nach Antwerpen eilte und die Gegenwehr mit glücklichem Erfolg leitete, war dem Kaiser wieder verdrießlich, und so war Bernadotte weit entfernt, in dessen Gunst zu stehen, als die damals in Schweden herrschende französisch gesinnte Partei, um sich die Gunst des französischen Kaisers zu sichern und mit dessen Hilfe Finnland wiederzugewinnen, ihn 21. Aug. 1810 zum Kronprinzen wählte.

Der Fürst von Pontecorvo trat 19. Okt. in Helsingör zur lutherischen Kirche über, landete 20. Okt. zu Helsingborg, ward 5. Nov. von Karl XIII. adoptiert, nahm den Namen Karl Johann an, leistete den Eid als Kronprinz und Thronfolger und empfing die Huldigung der Stände. Er leitete von da ab die schwedische Politik und zwar anfangs im französischen Sinn, indem er sich auch der Kontinentalsperre unterwarf.

Indes als Napoleon im Januar 1812 Schwedisch-Pommern besetzen ließ, weil die Einführung französischer Zollbeamten in Schweden abgelehnt wurde, schloß er mit Rußland 8. April 1812 zu Petersburg ein Bündnis und ließ sich den Besitz Norwegens zusichern. In persönlicher Zusammenkunft Alexanders I. und K. Johanns zu Abo ward das Bündnis befestigt.

Mit England schloß Schweden 12. Juli 1812 zu Örebro Frieden und öffnete seine Häfen den Handelsschiffen aller Völker. Im Sommer 1813 erschien der Kronprinz mit einem schwedischen Heer auf deutschem Boden und erhielt, weil die Verbündeten sein Feldherrntalent überschätzten, das Kommando der Nordarmee, benahm sich aber höchst zweideutig, wollte Berlin preisgeben, das gegen seinen Willen durch die Schlacht bei Großbeeren gerettet wurde, verzögerte nach Möglichkeit den Vormarsch und nahm auch an der Schlacht bei Leipzig 18. Okt. erst teil, als ihm Blücher durch seine freiwillige Unterordnung jeden Vorwand entzogen hatte.

Bernadotte wollte wohl Napoleon stürzen, aber nur, um selbst Beherrscher von Frankreich zu werden; daher suchte er sich durch Schonung der Franzosen deren Sympathien zu sichern.

Nach den Tagen von Leipzig befreite der Kronprinz Lübeck, rückte in Holstein ein und diktierte 14. Jan. 1814 Dänemark den Frieden von Kiel, der ihm den Besitz Norwegens verschaffte. In Frankreich traf er erst nach der Einnahme von Paris ein. Seine Hoffnung auf die Herrschaft in Frankreich vereitelte jedoch die Rückkehr der Bourbonen, und außerdem rief ihn die Erhebung Norwegens in den Norden zurück. Machte ihn auch ein nur 14tägiger Krieg zum Sieger im Feld, so zog er doch eine Verständigung mit dem norwegischen Volk, das er durch Annahme der Verfassung gewann, einem Versuch der Unterwerfung vor und ward 4. Nov. 1814 als Kronprinz von Norwegen anerkannt.

Am 5. Febr. 1818, nach Karls XIII. Tod, ward er auch dem Namen nach König. Gegen außen beobachtete er nun eine Politik des Friedens und pflegte namentlich auch ein gutes Einverständnis mit Rußland. Reformen in der Verfassung und Verwaltung begünstigte er nicht; wohl aber handhabte er die bestehenden Formen mit hoher Einsicht, Gewissenhaftigkeit und Humanität und traf viele ersprießliche Maßregeln. Das tief zerrüttete Finanz-, Kriegs- und Kreditwesen ward geordnet, Landbau und Schiffahrt durch Anlegung von Straßen, Kanälen etc. gehoben. Bedeutendes geschah für Marine und Militär, aber auch für Schulen und wissenschaftliche Anstalten. War auch das ganze Regierungssystem nicht gerade geeignet, alle Mißstimmung zu beschwichtigen, und hinderte auch den König seine Unkenntnis der Landessprache sowie in spätern Jahren seine Zurückgezogenheit, sich eine recht warme Liebe des Volkes zu erwerben, so hat ihm dieses doch fast immer Achtung, Vertrauen und Dankbarkeit bewiesen. Nachdem er schon im Januar 1844 die Regentschaft vorläufig dem Kronprinzen Oskar übertragen, starb er 8. März d. J. Seine Gemahlin, welche erst 1829 für immer nach Schweden übersiedelte, wo sie 21. Aug. d. J. gekrönt wurde, starb erst 19. Dez. 1860.

Vgl. Geijer, K. XIV. Johann, König von Schweden (schwed. u. deutsch, Stockh. 1844); Sarrans, Histoire de Bernadotte, Charles XIV Jean (Par. 1845, 2 Bde.); "Correspondance de Bernadotte avec Napoléon de 1810 à 1814" (das. 1819); "Recueil des lettres, proclamations et discours du roi Charles" (Stockh. 1825).

Meyers Konversationslexikon von 1888
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